Ali Saledinov hat kein Boot. Er angelt am Ufer des Flusses, da wo die Böschung schlammig ist und man leicht ausrutschen kann. Normalerweise fängt er genug Fische, um welche zu verkaufen, hat er gesagt. An diesem Tag fängt er nichts.
Immer wieder wirft Saledinov die Angel aus und zieht sie mit rhythmischen Bewegungen ein. Immer wieder verheddert sich die Angelschnur im Gestrüpp. Der kleine Fisch mit Haken, der an der Spitze der Angel befestigt ist, bleibt in den Ästen hängen, wenn er ausholt. Der Fluss gehört zu Marhanets, einer Stadt in der Ostukraine, hier endet Europa. Saledinov grummelt, befühlt den Köder, läuft unruhig von einer Stelle zur anderen. Seine Finger sind geschwollen und dreckig. Seine Beine tun ihm weh.
Der Grund dafür, liegt 2000 Kilometer und viele Stunden Busfahrt von Marhanets entfernt, in Geesthacht bei Hamburg. Saledinov raucht und redet viel. Darüber, was in Geesthacht passiert ist, im Sommer 2018.
Eine ukrainische Arbeitsagentur habe ihn dorthin vermittelt – er habe illegal für einen großen norddeutschen Getränkehändler gearbeitet, unter miserablen Bedingungen, wie er sagt. Während seiner Arbeit sei er nicht nur bedroht, sondern auch schwer verletzt worden, sodass er bis heute Teile seiner Füße nicht spüre. Ein Kollege soll ihn angefahren haben. Eine Woche habe er danach ohne medizinische Versorgung in einem Zimmer gelegen.
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